Um die Jahrhundertwende galten die neuartige Kinoschaubude sowie ein Kinomatograph als wichtigste Attraktion des Festes. Die damals gezeigten kurzen, humorvollen Filmszenen verblüfften das Publikum stets auf’s Neue, weil man sich nicht vorstellen konnte, wie sie funktionierten. Als Pioniere auf diesem Gebiet galten Heinrich Lindner und Daniel Dörre, die das mechanische Puppentheater zugunsten des Films ablösten. Der Erfolg dieser Festplatzsensation war so groß, daß im Stadtgebiet bald mehrere Kinos entstanden, die das ganze Jahr über Filme zeigten.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verschwanden die Prunkbauten mehr und mehr und machten einem immer größeren Angebot von Schausteller-Attraktionen Platz. Zu einem Riesenerfolg wurden u.a. die Pyrographischen Feuerbilder des Nürnberger Feuerwerkers Georg Häberlein. 1910 wurde Johann Mendel erster Vorsitzender des Süddeutschen Schaustellervereins. Der angesehene Südfrüchtehändler wurde später Fachverwalter des Industrie- und Kulturvereins, was von entscheidender Bedeutung für die Suche nach einem neuen Festplatz werden sollte. Im gleichen Jahr bewarb sich der Schausteller Anton Bausch um eine Zulassung für seinen Toboggan.
Aus dem mit ihm geschlossenen Vertrag ist ein Beschickungsverbot für eventuelle Konkurrenzunternehmen in der näheren Umgebung des Nürnberger Volksfestes ersichtlich. Tatsächlich kam es immer wieder zu billigen Nachahmungen des Nürnberger Festes. Das Nürnberger Festkomitee ging mit harten Sanktionen gegen Schausteller vor, die beide Plätze halten wollten, damit die gebotenen Attraktionen keinem zu raschen Verschleiß unterlagen.
1913, auf dem letzten Volksfest vor Ausbruch des 1. Weltkriegs verzeichnete das Nürnberger Volksfest folgende Attraktionen: 1 Glücksbude, 50 Wirtsbuden, 1 Roggenkaffeebude, 1 afrikanische Kokos- und Bananenbude, 6 Zigarrenverkaufsstände, Bratwurst- und Heringsstände, 10 Schießbuden, 4 Schnellphotographen, verschiedene Karussells, eine Achterbahn, eine Rutschbahn, einen Flohzirkus, das „Achte Weltwunder“, die lebende Puppe, ein Marionettentheater, eine Liliputanerstadt, einen Irrgarten und ein Lachkabinett.
Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges war es dann mit der Festfreude auf dem Ludwigsfeld vorbei. Anstelle der ehemaligen Prachtbauten entstand eine Lazarettstadt, die Glücksbude wurde in ein Materialdepot umgewandelt. Nach dem Krieg wurden die Baracken zu Notunterkünften für entlassene Soldaten und obdachlose Nürnberger. Das Ludwigsfeld ging dem Nürnberger Volksfest damit für immer verloren. Heute befindet sich dort, gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit, eine Wohnsiedlung.
Neubeginn nach dem 1. Weltkrieg
1919 erteilte der Stadtrat dem Süddeutschen Verein reisender Schausteller und Händler die Genehmigung zur Erneuerung des Nürnberger Volksfestes, das sich nun über einen Zeitraum von 3 Sonntagen erstrecken sollte. Damit gingen Planung und Veranstaltung unmittelbar in die Verantwortung der Schausteller über. Man entschied sich für die Deutschherrenwiese als Veranstaltungsort. Mit der Übergabe des Volksfestes an unseren Berufsstand nutzten die Verantwortlichen die Gunst der Stunde und setzten bei der Stadt Nürnberg die Durchführung eines Frühlingsfestes durch. Aus der Chronik ist zu entnehmen, daß als Begründung das Argument „von den Schrecken und Auswirkungen des Krieges abzulenken“ diente. Das Jahr 1919 kann als einer der Meilensteine der Nürnberger Schausteller betrachtet werden.
Mit der Einführung des Frühlingsfestes zur Osterzeit wurde die Saison von den Kollegen um 3 Sonntage verlängert. Das Frühlingsfest hat sich im Laufe der Zeit ständig nach oben entwickelt und seine Akzeptanz beim Publikum gesteigert.
Das Problem der Privatisierung von Volksfesten und von Konkurrenzveranstaltungen gab es schon 1921. Dem Bayerischen Bund Kriegsbeschädigter und Hinterbliebenen wurde trotz der heftigen Proteste des Schaustellerverbandes die Genehmigung zu einem eigenen Fest erteilt. Den Schaustellern gelang es durch Rahmenveranstaltungen, wie Ballonfahrten mit waghalsigen Aktionen der Luftschifferin und Akrobatin Elvira Wilson das Publikum auf dem Festplatz an der Deutschherrenwiese zu locken. Das Konkurrenzfest wurde wegen seiner Erfolglosigkeit zu einer Eintagsfliege.
Der Volksfestplatz an der Deutschherrenwiese war wegen der angrenzenden Häuserblocks sehr beengt. Man versuchte zu Beginn der 20er Jahre eine geeignetere Fläche zu finden. Nachdem 1923 und 1924 wegen der Inflation, weil die Preise kaum erschwinglich gewesen wären, keine Volksfeste stattfanden, war 1925 die Suche nach einem dauerhaften Festplatz erfolgreich.
Durch die Initiative des schon erwähnten Johann Mendel wurde ein geeignetes Gelände an der Fürther Straße gefunden. Dieser Platz, auf dem ursprünglich eine Kleingartensiedlung stand, konnte für beide Volksfeste gepachtet werden Als 1925 dort das erste Volksfest abgehalten wurde, stand ein Areal von 70.000 qm zur Verfügung. Dies war gegenüber den bisherigen Beschränkungen ein gewaltiger Vorteil. Die Schausteller verwendeten viel Mühe, Zeit und Geld für die Einschließung des Geländes und die Herstellung der notwendigen Infrastruktur. Wie aus der Einleitung der Volksfestzeitung von 1928 zu erfahren ist, entwickelte sich in der Zwischenkriegszeit ein wahrer Boom an Volksfesten, denn: „Nie war der Hang zur Freude am Fest ausgeprägter und intensiver, als in den Zeiten schwerer Not und Bedrängnis.“ Das Münchner Oktoberfest, die Dresdener Vogelwiese, der Hamburger „Dom“ und der Bremer Freimarkt wurden ebenso wie das Nürnberger Volksfest vom Publikum gestürmt. Man suchte Ablenkung von den drängenden Problemen der Zeit, wie der gigantischen Arbeitslosigkeit und er steigenden Geldentwertung.
Die immer konfuser werdende politische Lage veranlaßte den Süddeutschen Verein nach langen Überlegungen, sich dem 1931 in Nürnberg tagenden Reichsverband des Ambulanten Gewerbes anzuschließen. Als im Januar 1933 schließlich Hitler zum Reichskanzler avancierte, wurde damit auch das Nürnberger Volksfest in die braune Propagandamaschinerie eingespannt. In einem Grußwort an die offizielle Volksfestzeitung heißt es: „Unsere Behörden stehen den Bestrebungen des ambulanten Gewerbes nicht mehr diametral gegenüber, sondern unterstützen seine Belange und erkennen seine Existenzberechtigung voll an.“ Eine der ersten Früchte dieser Anerkennung war der erzwungene Rücktritt des hochverdienten Vorsitzenden Mendel. Die Leitung des Festes wurde linientreuen Parteigenossen und einem dubiosen Geschäftsmann überlassen. Die Mitglieder des Reichsverbandes ambulanter Gewerbetreibender wurden zwangsweise in die parteiabhängige Wirtschaftsgruppe Ambulantes Gewerbe umorganisiert, die Gruppe der Schausteller aber Joseph Goebbels‘ Reichskulturkammer unterstellt.
Die Veranstaltungen des Volksfests selbst unterschieden sich außer den im Eingangsbereich überall gehißten Hakenkreuzfahnen zumeist nur wenig von der bisherigen Tradition. Unter den ehemaligen Mitgliedern des Süddeutschen Schaustellervereins gewannen aktive Parteimitglieder der NSDAP bald die Oberhand und versuchten jene Unternehmer, die keine Parteigenossen waren, weitgehend zu verdrängen. Ab 1934 übernahm die nationalsozialistische Stadtverwaltung unter ihrem Oberbürgermeister Willy Liebel die Ausrichtung des Volksfestes, in dem altdeutsche Traditionen und historisches „Volksgut“ im Sinne der NS-Propaganda nunmehr eine wesentliche Rolle spielen sollten.
Das populäre Volksfest sollte mehr und mehr zu einem Tummelplatz narzißtischer Agitation werden, wogegen sich allerdings die gesamte Schaustellerschaft aus wirtschaftlichen Überlegungen zur Wehr setzte. Man befürchtete durch diese politische Ausrichtung auf eine „Arisch-deutsche Volksgemeinschaft“ einen Teil der Gäste zu verlieren. In einem mutigen Aufruf wurde die Forderung nach politischer Neutralität des Volksfestes gefordert. Nichtsdestoweniger wuchs der politische Druck immer mehr, die Schausteller sahen sich durch alle möglichen Schikanen gezwungen, sich der vorgegebenen politischen Linie zu unterwerfen. Bald erstreckte sich der Einfluß der Partei ebenso auf die äußere Gestaltung, wie auf die gezeigten Programmdarbietungen.
Das Volksfest sollte „erzieherisch im politischen Sinn“ werden. So durften in den Schaubuden keine Abnormitäten mehr gezeigt werden, die Volksfestorgeln konnten sich nicht mehr am Publikumsgeschmack, sondern nur noch an den Parteivorgaben orientieren. Jazz war verpönt, die vor allem für die Kinder attraktiven Karussells wurden mit Hakenkreuzfähnchen versehen, die Schießbuden mußten sich, um die „Wehrertüchtigung“ der Jugend zu fördern, auf das neu vorgeschriebene „Wehrsportgewehr“ umstellen. Allen Parteibemühungen zum Trotz setzten sich ihre Richtlinien aber bei den Schaustellern nur sehr zögernd durch, so daß sich die Partei schließlich vom traditionellen Volksfest weitgehend zurückzog und in der sogenannten Kraft-durch-Freude-Stadt, auf dem Gelände des heutigen 1. FC Nürnberg, ein eigenes Fest veranstaltete, das im Rahmen der Reichsparteitage Sport- und Ballettveranstaltungen sowie Musik und Auftritte linientreuer Künstler bot, aber für das Volksfest an der Fürther Straße keine ernsthafte Konkurrenz war.
Anläßlich der auf dem „Nürnberger Parteitagsgelände“ abgehaltenen Reichsparteitage, die zeitweise bis zu 250.000 Menschen nach Nürnberg brachten, wurde das Volksfest sogar verlängert und erzielte traumhafte Einnahmen, weil der Großteil der Politbesucher die willkommene Gelegenheit der Entspannung auf dem Volksfest nutzen wollten. Der September 1939 brachte, mit der allgemeinen Mobilmachung und dem militärischen Überfall auf Polen schließlich den Abbruch des schon eröffneten Volksfestes. Der Platz an der Fürther Straße wurde vom Militär als Lagerplatz beschlagnahmt. Nach zwei Versuchen wenigstens ein Ersatzvolksfest auf der Deutschherrenwiese durchzuführen, ging das Nürnberger Volksfest zusammen mit dem Großteil der Altnürnberger Bausubstanzen im Bombenhagel des Krieges unter.