Die Anfänge: 1882 – 1890

Die Vereinsidee des „Klim-Bim“ trat bald einen ungeahnten Siegeszug durch Deutschland, ja sogar durch ganz Europa an: Überall, wo sich Schausteller und Berufsgenossen auf ihren Tourneen oder im anschließenden Winterquartier zusammenfanden, wurde sie aufgegriffen. Allerdings bedrohten nicht ausbleibende interne Querelen und Spannungen konkurrierender Vereine zeitweise die neue Gemeinschaft mit Spaltungstendenzen, die jedoch glücklicherweise immer wieder überbrückt werden konnten.

GruendungIm Dezember 1882 organisierte Wilhelm Prinzlau den „1. Kongreß Deutscher Schausteller“, um die Flut der Neugründungen einzudämmen. Diese erste Tagung in Hamburg, die als Regulativ der untereinander konkurrierender Verbände geplant war, war schon damals mit einer eigenen Fachausstellung verbunden, die als Informationsbörse für das Schaustellergewerbe gedacht war. Leider ist über die Beteiligung fränkischer Schausteller wenig bekannt, einzig der Nürnberger Schausteller A. Müller wird unter den Kongreßteilnehmern erwähnt. Es steht allerdings zu vermuten, daß die in Hamburg geführte Diskussion um eine geplante Schausteller-Unterstützungskasse auch in Franken äußerst aufmerksam verfolgt und bei ihrer Rückkunft zahlreiche Fragen an die Teilnehmer gerichtet wurden.

Da sich Nürnberg immer schon als geographisch zentraler Ausgangspunkt für Tourneen in alle Himmelsrichtungen bewährt hätte und die Bedeutung einer eigenen Standesorganisation sicherlich auch hier erkannt wurde, darf angenommen werden, daß spätestens nach dem Besuch des Hamburger Kongresses auch die Nürnberger Schausteller die Bedeutung eines gemeinsamen Interessenverbandes erkannten und die Wurzeln für die Gründung des späteren Süddeutschen Schaustellerverbandes legten.

Wurde doch durch den schon erwähnten Kongreß unter den Schaustellern ein neues und bisher kaum bekanntes Identitätsgefühl entwickelt: Nach jahrhundertelanger Unterdrückung und Mißachtung des Gewerbes, das als „Fahrendes Volk“ diffamiert wurde, kam es nun erstmals zu einer echten Aufbruchstimmung: Ein neu gewonnenes Ansehen mit bürgerlichen Ehren und einem ausgeprägten Standesbewußtsein schien in greifbare Nähe gerückt. Bei einem 2., 1885 gleichfalls in Hamburg anberaumten Kongreß beschäftigten sich die angereisten Schausteller erneut mit dieser Vereinsthematik. Aus dem „Klim-Bim“ entwickelte sich nach langer Diskussion der „Verein reisender Schausteller und Berufsgenossen“.

Unter dieser Bezeichnung erfolgte die neu anlaufende zweite große Gründungswelle. In Nürnberg waren indessen die Überlegungen zur Gründung eines eigenen Vereins noch nicht abgeschlossen. Erst am 5. Januar 1888 konnte sich der „Süddeutsche Verein reisender Schausteller und Handelsleute“ mit Sitz in Nürnberg offiziell konstituieren. Drei weitere Jahre vergingen, bis zur Umbenennung in den „Süddeutschen Verein reisender Schausteller und Berufsgenossen“, doch nach dem Ablauf weiterer drei Jahren entschloß man sich zur ursprünglichen Benennung zurückzukehren. Erwähnt wurde der Süddeutsche Verein erstmals im „Komet“ vom 1. Februar 1888, die erste Anzeige in der zum Vereinsblatt avancierten Zeitschrift erschien am 1. März desselben Jahres.

Der „Komet“ wurde rasch zum zentralen Mitteilungsblatt der Schausteller; er informierte über alle aktuellen Ereignisse der Zeit, die für den Berufsstand relevant waren. Als Sprachrohr der Schausteller erschien er genau zum richtigen Zeitpunkt und leistete so einen wesentlichen Beitrag zur raschen Einigung unter den Vereinen. Unter dem 1. Februar 1888 findet sich im „Komet“ folgende Beschreibung der Gründungsmodalitäten:
„In Nümberg hat sich unter dem Namen „Süddeutscher Verein reisender Schausteller und Handelsleute“ ein Verein gebildet, dessen Zwecke mit dem „Verein reisender Schausteller und Berufsgenossen“ in Hamburg so ziemlich parallel laufen.

Als Vereinsorgan wurde „Der Komet“ bestimmt, der Vorstand besteht aus den Herren: H. Wenger, Agent und Schmuckwarenhändler, 1. Vorstand. Fritz Reu, Karussellbesitzer; 2. Vorstand. Wilh. Busch, Schaubudenbesitzer, Stellvertr. Vorstand. Fritz Volkert, Orgelbauer; Kassier. Aug. Schmidt, Karussellbesitzer, Schriftführer. Daniel Dölle, Fürth, Schaubudenbesitzer; Joseph Dölle, Fürth, Schaubudenbesitzer; J. C. Schirm, Nürnberg, Handelsmann und Feodor Lehmann, Fürth, Zauberkünstler. Das Vereinslokal ist im Gasthof „Zur Goldenen Sonne“ in Gostenhof beim „Plärrer“.

Zwei Wochen später wird das Gründungsfest beschrieben: „In Nümberg hielt am 7. Februar der Süddeutsche Verein reisender Schausteller und Handelsleute sein Gründungsfest, mit Ball und Volksfest verbunden, in dem Saale des Gesellenhospitals ab. Punkt 6 Uhr abends wurde dasselbe mit einem Begrüßungsmarsche eröffnet, nach welchem der erste Vorstand, Herr H. Wenger, die Festrede hielt, welche den Zweck des Vereins sowie das heutige Zusammensein schilderte, er sprach sein Lob und seinen Dank aus für die Einigkeit und das feste Zusammenhalten der Schausteller und Handelsleute und brachte ein Hoch auf das fernere Gedeihen des Vereins aus.

Nun eröffnete die Polonaise den Reigen, angeführt von unserem allbekannten Herrn Steiner, welcher uns allen als großer Tanzkünstler wohlbekannt ist, nach diesem folgte der erste Herr Vorstand mit Gemahlin, die Polonaise mag wohl gegen 100 Paare gezählt haben. Es war fast ein wirkliches Kostümfest zu nennen, denn ein wahrhaft buntes Gewoge zeigte sich unseren Augen. Nach dem Tanze trat eine Pause ein und das Volksfest im wahren Sinne des Wortes begann, der Plärrer war vollständig. Panorama, Meerfräulein, Cosmorama, Photographen, Briefmaschinen, Liebesspiegel, Personenwaagen, Schildersänger, Bärentreiber, Kasperlheater, Glücksspiele, Menagerien, alles war vertreten und auf ein gegebenes Zeichen eröffneten die Besitzer mit ihren Rekommandeuren ihre Geschäfte, jeder wollte das Beste und Schönste haben und es gelang auch nach ungefähr einer Stunde, daß ein jedes Geschäft eine ziemliche Kassen-Einnahme erzielte, es schloß sich Niemand aus, jede Bude war gedrängt voll Besucher.

Die Einnahme floß ja in die Kasse des Vereins und unter großem Jubel wurde der Plärrer geschlossen, worauf das Tanzvergnügen wieder begann. Der ganze Saal war großartig festlich dekoriert und mit prachtvollen Ölgemälden, umflochten mit grünen Gewinden, ausgestattet, an allen Enden sowie auf der Bühne, welche einen riesengroßen Glückshafen repräsentierte, sah man sich in einen feenhaften Palmengarten versetzt, kurzum, es war alles in reichster Fülle arrangiert.

In den Zwischenpausen traten verschiedene Künstler auf, es waren ja sämtliche in Nümberg weilende Künstler und Künstlerinnen anwesend, Schlangenmenschen, Jongleure, Volkssänger und Mimiker füllten die Pausen aus, ferner wurden in den Zwischenpausen die Lose des Glückshafens verkauft und waren dieselben rasch vergriffen. Sodann hielt der 2. Vorstand, Herr Fritz Reu, Karoussellbesitzer aus Fürth, eine Ansprache an sämtliche anwesenden Gäste und brachte einen Toast auf dieselben aus. Der 3. Vorstand, Herr Busch, Schausteller aus Nümberg, toastete auf den 1. Vorstand nebst Gemahlin und sämtliche anwesenden Damen.

Nun folgte die Verlosung des Glückshafens und ehe man sich versah, war die frühe Morgenstunde angebrochen, doch blieben noch alle in fröhlicher Feststimmung beisammen. Man war erstaunt und überrascht, daß in so kurzer Zeit, in welcher der Verein besteht, sich ein solches Fest arrangieren ließ, denn auch der Vereinskasse ist durch dieses Fest ein bedeutender Zuschuß erwachsen. Die Gesamteinnahme durch Schaustellung und Glückshafen betrug netto 465 DM. „Indem wir wünschen, daß bald wieder oder doch wenigstens nächstes Jahr ein derartiges Fest stattfinden möge, rufen wir allen Teilnehmern ein frohes Wiedersehen zu“.

Unter der Rubrik „Vereinsnachrichten“ erschien am 1. März 1888 im Komet nachstehender Beitrag: „Dem noch nicht ganz 2 Monate bestehenden Verein Süddeutscher reisender Schausteller und Handelsleute in Nümberg scheint es, außer seinen guten Absichten, die betreffenden Berufsklassen moralisch zu heben und in der menschlichen Gesellschaft diejenige Achtung zu verschaffen, welche diesen arbeitsamen und strebsamen Klassen gebührt, auch nicht an Humoristik zu fehlen, wodurch der Kasse des Vereins ganz nette Beiträge zufließen.

So wurde z.B. am Montag, dem 20. Februar, wo die Nürnberger ihre Fürther Kollegen zu besuchen pflegen, was regelmäßig jeden Montag geschieht, eine Sardellensauce, woraus die Sardellen natürlich schon verzehrt waren, auf franz. versteigert und lieferte diese prachtvolle Sauce einen Ertrag von Mk. 3,05. Bei der gewöhnlich Donnerstag stattfindenden Zusammenkunft in Nürnberg wurde am letzten Donnerstag dem Herrn Vorstand durch einen Expreßboten ein wohlverpacktes Paket mit der Bitte zugesandt, dasselbe unter den Mitgliedern zu Gunsten des Vereins versteigern zu lassen. Dasselbe erzielte die Summe von Mk. 7,66 und fiel dem Herrn Kassier F. Volkert, Orgelbauer, zu. Bei Öffnung des Pakets kam zum größten Gaudium der Anwesenden ein sauber abgenagter Knochen, ein sogenanntes Schäufele, zum Vorschein.

Der Besitzer des gesteigerten Objekts vermachte nun dasselbe dem Verein und soll als wertvolle Gabe zum Andenken im Vereinslokal (zur Sonne) ausgehangen werden. Es wurde dann noch der Vereinsliesel, weiche am selben Abend von der Gattin eines Mitgliedes (Frau Kugler) gestiftet worden war, und welche ihre Weihe als „4 mäßige Caroline“ erhielt, wobei die Gattin des stellvertretenden Vorstandes, Frau Busch, die Gevatterstelle übernehmen mußte, fast bis in die Nacht zugesprochen. Zum Schluß wünschen wir noch diesem Verein, welcher seine Mitgliederzahl bereits auf 50 erhöhte, ein fröhliches und gesundes Gedeihen!“