Volksfestgeschichte 1941 – 1960

„Auferstanden aus Ruinen“

Obwohl die Lage nach Beendigung des Krieges im Mai 1945 in der zerbombten Stadt beinahe hoffnungslos war, verloren die Nürnberger Schausteller doch nicht den Mut zum Neubeginn. Im September 1945, vier Monate nach Kriegsende, sammelten sie die Reste ihrer Bestände zusammen, reparierten mit bescheidenen Mitteln ihre Attraktionen und versammelten sich zur klassischen Volksfestzeit zu einer Art Not-Volksfest in der Schweinauer Hermannsstraße. Eine Kegelbude, ein Glückshafen, eine Büchsenwerfbude sowie eine Schiffschaukel und ein Kettenflieger waren die spärlichen Attraktionen. Schießbuden und Imbißstände fehlten gänzlich, erstere weil sie von der Militärregierung verboten waren, letztere, weil es nichts Eß- oder Trinkbares gab, was man hätte anbieten können. Doch ungeachtet aller Schwierigkeiten gaben die Schausteller bald wieder kräftigere Lebenszeichen von sich.

In München konstituierte sich unter der Bezeichnung „Bayerischer Landesverband ambulanter Gewerbetreibender“ wieder eine Spitzenorganisation für Schausteller und Fliegende Händler, der sich bald auch der ehemalige Süddeutsche Verein anschloß. Da der Platz an der Fürther Straße noch ein Trümmerhaufen war, mußte das Volksfest 1946 auf das Gelände am Fuchsloch ausweichen. Das Frühlingsfest 1947 fand wieder, wie in früheren Zeiten, auf der Deutschherrenwiese statt. Weil die Schausteller mit ihrer Interessenvertretung beim Bayerischen Landesverband (BLV) unzufrieden waren, gründeten sie während dieses Frühlingsfestes einen neuen Süddeutschen Schaustellerverband. Damit übernahmen sie auch die volle Verantwortung für Planung und Durchführung des Herbstvolksfestes. Auf dem wiederhergestellten Platz an der Fürther Straße wurde 1947 das größte Volksfest in der damaligen „Westzone“ durchgeführt.

Bereits 1949 verfügte das Volksfest über eine große Zahl von Schaustellerattraktionen. Der „Komet“ berichtet zwar über eine Krise der großen Rundfahrgeschäfte, betont aber, die Organisation und vor allem die beiden Feuerwerkstage seien ein voller Erfolg gewesen.

Um eine Vorstellung von der Vielzahl der bereits in diesem Jahr etablierten Schaustellergeschäfte zu geben, wurde gleichfalls im „Komet“, eine komplette Liste der teilnehmenden Attraktionen wiedergegeben. Demnach waren auf dem Volksfestplatz aufgebaut:

historischHerhaus – eine Gebirgsachterbahn, Hugo Haase – Schlangen und Spinnen, Walter Rick – eine „Teufelskutsche“, Anton Bausch – ein Toboggan, Willenborg – ein Autodrom, Heinrich Stahlmann / F. Distel – mehrere Autoskooter, Siebold – eine „Tarantella“, E. Menzel – Weltraumbummler mit Zugspitzbahn, E. Menzel/Pfliegner – Walzerfahrt, A. Emde – eine Steilwandrakete, Georg Pötsch – eine Orientbahn, Grossmann – ein „Flieger“, Anni Döhle – eine Raketenbahn, Karl Martin – ein Riesenrad, Wöhrle – eine Sturzflutbahn, Heinrich Stahlmann – eine Geisterbahn, Zehnsen-Kleiner – ein“City-Taxi“, Steimer – eine Ponybahn, Bäck/Zänger/Wunderle/ Amet/ – mehrere Kinderfahrgeschäfte, Brückner/Ulrich/Schwab/Haberler – ein „Looping the Loop“, Arneth/Meyer – eine Schiffschaukel sowie Belustigungs- und Schaugeschäfte, darunter Schichtl’s Marionetten, ferner gab es bereits mehrere Eis- und Verkaufsstände, Wurstbratereien und Riesen-Bierzelte, einen Cafègarten, 1 Kantine und mehrere Heringsbratereien.

Das Jubiläumsvolksfest des 125jährigen Bestands im Jahre 1951 übertraf alle Erwartungen. Beim Feuerwerk flog mehr als ein Doppelzentner Sprengmaterial unter großem Getöse und der Entfaltung eines prächtigen Farbenrausches in die Luft.

Groben Schätzungen zufolge zählte dieses Volksfest ca. 180.000 Besucher, der Andrang an den Buden und Schaugeschäften war enorm, die Bierzelte mußten zeitweilig sogar wegen Überfüllung geschlossen werden. Der finanzielle Erfolg konnte sich sehen lassen, eine gewünschte Verlängerung war wegen anderweitiger Verpflichtungen der Schausteller aber nicht möglich.

historischIm Frühjahr 1953 ging die Volksfestära an der Fürther Straße zu Ende. Der Nürnberger Industrie- und Kulturverein als Eigentümer des Geländes verkaufte dieses nach längeren Verhandlungen an die Firma Schickedanz: das heutige Quelle-Imperium war im Entstehen. Das Nürnberger Volksfest war dadurch wieder auf der Suche nach einem neuen Standort, der schließlich auf dem Gelände des alten Tiergartens am Dutzendteich gefunden wurde. Auch hier waren wieder zahlreiche Adaptierungen notwendig. Um die schweren Schaustellerwagen vor dem Versinken zu bewahren, mußte der Boden verdichtet werden. Langwierige Planierungsarbeiten sowie Kanalanschlüsse und die Errichtung einer Trafostation mußten durchgeführt werden, um den Platz für das Herbstvolksfest 1953 zu akzeptieren.

historischesNeben den Schwierigkeiten, welche die Errichtung einer völlig neuen Infrastruktur mit sich brachten, gab es auch schwerwiegende finanzielle Probleme. Die Kosten für den Umbau des Platzes lagen weit über DM 100.000,-. Die Nürnberger Schausteller boten der Stadt einen Zuschuß von DM 40.000,- für den Ausbau an und erhofften sich dafür eine schlüsselfertig Übergabe des Platzes.

Doch Ende Juli stellte sich heraus, daß sie für die Versorgung mit Wasser und Strom selbst zu sorgen hatten. Nach schwierigen Verhandlungen mit der Stadtverwaltung konnte, erst Ende August, mit der Planung des Festes begonnen und die Verträge für die Beschicker versandt werden. Innerhalb von knappen 3 Wochen mußte die gesamte Organisation und der Ablauf des Festes gesichert sein.

Zu den organisatorischen Fragen kam die Sorge, ob das Publikum den neuen Standort annehmen würde. Doch waren die Wetterbedingungen in diesem Jahr günstig, das warme Spätsommerwetter lockte die Besucher zum neuen Festplatz und das Fest konnte als großer Erfolg in die Geschichte des Volksfestes eingehen. Bei den Mitgliederversammlungen des Schaustellerverbandes muß es in diesen Jahren oft heiß hergegangen sein und der Vorsitzende, Lorenz Schweizer, hatte des öfteren mit einer starken Opposition zu kämpfen. Doch trotz mancher interner Querelen ging es mit dem Volksfest ständig bergauf. Über das Herbstfest des Jahres 1956 berichtet der „Komet“ zahlreiche Details, die uns ein Bild von der Vielfalt der Attraktionen jener Jahre bieten.

Besonderer Beliebtheit erfreute sich unter anderem „Schäfers Liliputstadt“, die Achterbahn von Herhaus, der Toboggan von Bausch, der Zeppelin-Globus von Mathieu und der unter Kennern besonders bestaunte neue Taifun von Großmann. Auch Bausch/Distels neue Cortina-Bobsleigh-Bahn, eine Meteorbahn von Bornhäuser-Krist und die „Slalom-Tollität“ von Hüttemann zogen das Publikum magnetisch an. An die dreißig Fahrgeschäfte, darunter verschiedene Karussells, Skooter, Schaukeln, Rotor, Kreisel und ein „Teufelsrad“ sorgten für lustvolle Sensationen. 11 Schaustellerbuden boten Schauvergnügen pur, darunter Doms Tropenschau, Tarzanos Wintergarten-Varieté, Schatts Casino de Paris, Wittenheims „Lebendes Magazin“, Hartmanns Todesarena und Eriksons Eisweib.

historischesGroßen Zulauf hatte Menzels Ringerkapitol mit seinen optisch wirksamen Ringkämpfen.
Die riesigen Bierzelte der Brauereien Tucher und Losunger sorgten für die leiblichen Genüsse, ebenso wie Heringsbratereien und Bratwurststände.
Zahlreiche Verkaufsbuden, Schießstände und Lotterien lockten mit einem abwechslungsreichen Angebot. Sonderveranstaltungen, wie der Kindertag und die beliebten Feuerwerke sorgten zusätzlich für einen regen Besucherstrom.

Im Gegensatz zum Erfolg des Herbstfestes wurde das Frühlingsfest 1957 zur finanziellen Katastrophe. Ungünstige Witterung und eine gewisse Amüsiermüdigkeit verursachten eine Negativ-Bilanz, unter der vor allem die von weither angereisten Schausteller zu stöhnen hatten.