1853 erstes Nürnberger Volksfest mit großer Schaustellerbeteiligung
Erst nach zehnjähriger Unterbrechung sollte 1853 wieder ein Volksfest von 8 Tagen auf dem nunmehrigen Ludwigsfeld stattfinden. Äußerer Anlaß war einerseits eine Versammlung des süddeutschen Apothekervereins am 26. und 27. August, andererseits ein Kongreß der deutschen Land- und Forstwirte, der vom 28. August bis zum 3. September anberaumt war. Die Stadt wollte ihren Gästen etwas Besonderes bieten. Das neue Festkomitee unter der Leitung des Kaufmanns Hermann Harrer hatte zum ersten Mal in der Geschichte des Nürnberger Volksfestes auch Schausteller eingeladen, die das Publikum mit Karussells, Schaukeln und Rutschbahnen begeisterten. Auch ein Panorama mit übergroßen Bildern der Schweizer Alpen und verschiedener deutscher Städte erfreute sich großer Aufmerksamkeit.
Ein nach den Entwürfen des bekannten Malers Maar kostümierter Festzug wurde zu einem besonderen Höhepunkt. Allegorische Figuren bildeten darin die Themen für die einzelnen Gruppen des Zuges, den eine prächtig kostümierte „Noris“ als Repräsentantin der Stadt anführte. Der Festzug mußte wegen der überraschenden Ankunft König Max I. am 29. August wiederholt werden.
Zur Begrüßung der Festgäste fanden sich Büttner, Brauer und Wirte um die Figur des legendären Königs Gambrinus zusammen; König Max I. zeigte sich höchst befriedigt. Doch eine neuerliche Einladung für das Jahr 1855 lehnte er mit dem Wunsch ab, man möge die erheblichen Kosten des geplanten Festes lieber zur Unterstützung der Armen verwenden. Der Magistrat wollte allerdings nicht verzichten, auch waren die Vorbereitungen dafür im vollen Gange. Aus taktischen Gründen verzichtete man diesmal auf das sogenannte Ludwigsfeld und wich auf den Judenbühl aus, der in Zustimmung des Königs in Maxfeld umbenannt wurde.
Ein angesehener Kaufmann namens Platner ließ für diesen Anlaß dort auf eigene Kosten eine englische Gartenlandschaft anlegen, welche die Grundlage für den späteren Stadtpark wurde. Doch trotz aller Bemühungen war dieser ersten Wiederbelebung der noch jungen Volksfestattraktion kein bleibender Erfolg beschieden: Nach wenigen Jahren löste sich das neue Festkomitee auf. Von 1856 bis 1871 wurden keine weiteren Volksfeste mehr veranstaltet.
Freiheit für das Reisegewerbe
Es war der Sieg von Sedan im Deutsch-Französischen Krieg, der 1872 zu einem Wiederaufleben des Nürnberger Volksfestes führte. Sie wurden in „Sedansfeste“ umbenannt und zunächst auf dem Maxfeld abgehalten. Die ersten Feste zeigten ein martialisch patriotisches Gepräge, in dessen Mittelpunkt der Sedanssieg stand. Doch bald trat der eigentliche Volksfestcharakter der Veranstaltung wieder in den Vordergrund.
Mit der Deutschen Einigung von 1871 fielen die zahlreichen Beschränkungen für das Schaustellergewerbe weg, welche die Freizügigkeit des Schaustellergewerbes in den deutschen Kleinstaaten bisher behindert hatten. Eine nunmehr im gesamten Deutschen Reich gültige Wandergewerbeverordnung eröffnete dem Schaustellergewerbe ein weites Betätigungsfeld. Für das Nürnberger Volksfest bedeutete das einen immer größeren Zuzug von schaustellerischen Großattraktionen.
Im Gefolge der industriellen Revolution entstanden zahlreiche Fabrikvorstädte, die einen regen Zustrom ungelernter Arbeiter anzogen. Die Bevölkerungszahl wuchs bis 1880 auf rund 100.000 an. Diese demoskopische Entwicklung wirkte sich auch auf das Volksfest aus, das mehr und mehr zu einem Tummelplatz dieser schwer arbeitenden Bevölkerung wurde. Das rege Interesse breiter Bevölkerungsschichten sicherte nunmehr einen kontinuierlichen Bestand des Volksfestes, das in den Jahren 1885-87 vom Maxfeld auf den sogenannten Plärrer umzog, um schließlich, 1888, auf das ursprüngliche Ludwigsfeld zurückzukehren. Von diesem Zeitpunkt an bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde das Nürnberger Volksfest kontinuierlich auf diesem Platz abgehalten. Es wurde mehr und mehr von wirtschaftlichen Überlegungen bestimmt. Die Veranstalter erkannten bald die Bedeutung neuer Zuggeschäfte und sonstiger Attraktionen, welche durch die industrielle Entwicklung und vor allem durch die Errungenschaft der Elektrizität ermöglicht wurden. Zweifellos kam es zu diesem Zeittpunkt zu einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Volksfestkomitee und dem am 6. Januar 1888 gegründeten Süddeutschen Verband reisender Schausteller und Handelsleute.
In einer eigens herausgegebenen „Nürnberger Volksfest-Zeitung“ wurde unter anderem ein genauer Lageplan mit den Namen der einzelnen Schausteller sowie das genaue Festprogramm veröffentlicht, ebenso wie die Geschichte des Volksfestes und Inserate von Nürnberger Firmen. Das Nürnberger Volksfest sollte, wie darin ausdrücklich vermerkt wird, für die Bevölkerung der Stadt eine fröhliche und harmlose Unterhaltung bieten, aber auch durch seine Attraktionen den Fremdenverkehr, vor allem aus dem Umfeld, beleben und die Verbundenheit der ländlichen Bevölkerung mit ihrem städtischen Zentrum stärken. Schon damals erkannte die Stadt Nürnberg: Volksfeste sind Städtewerbung.
Auf dem Festplatz boten auf der einen Seite 18 Wirtsbuden alles für das leibliche Wohl, auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes waren die Schaustellerbuden mit ihren Attraktionen aufgestellt, darunter ein Kasperltheater, ein Panorama, zwei Schießbuden, drei Schnellfotobuden, 2 Karussells sowie als eine der Hauptattraktionen eine sogenannte Glücksbude. 1888 bildeten die Festaufführungen des Männerturnvereins sowie das Brillantfeuerwerk zum Abschluß glanzvolle Höhepunkte der Veranstaltung. Für das Volksfest von 1890 wurde der architektonischen Neugestaltung des Festplatzes besondere Bedeutung zugemessen. Der Architekt Georg Heim schuf dafür ein monumentales Portal sowie ein Verwaltungsgebäude im altdeutschen Stil. Zwei große Verbindungsbrücken sollten den Publikumsverkehr erleichtern, auch wurde die elektrische Beleuchtung wesentlich verbessert. Die Pächter der einzelnen Buden sorgten durch eine großzügige Ausgestaltung ihrer Räumlichkeiten dafür, daß sich die Gäste bei ihnen wohl fühlten.
Neben der vom Landwirtschaftlichen Bezirkskomitee veranstalteten Landwirtschaftsausstellung zog eine Internationale Hundeausstellung, die hier zum ersten Mal veranstaltet wurde, das Interesse des Publikums auf sich. Als besondere Attraktion galt eine neue elektrische Bahn, welche einen Großteil des Festplatzes einnahm und u.a. durch einen Tunnel führte, der dem St. Gotthard nachempfunden war. Insgesamt 13 Ausschüsse des Festkomitees bestimmten von 1891 an, wahrscheinlich gemeinsam mit Mitgliedern des Süddeutschen Schaustellervereins, die Geschicke des Nürnberger Volksfestes. Durch die Festzeitung von 1891 sind wir über den Ablauf und die Gestaltung dieses Festes hervorragend informiert.
Ein farbenprächtiges, im altdeutschen Stil errichtetes Portal führte auf den Festplatz, dessen in genauer Abfolge aufgestellten Wirts- und Schaustellerbuden durch mehrere Seitengassen voneinander getrennt wurden. Ein beleuchteter Springbrunnen sowie eine stattliche Glücksbude lenkten die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. Der Reingewinn dieser Glücksbude kam im übrigen ausschließlich sozialen und karitativen Einrichtungen zugute. Eine zeitgenössische Chronik lobt die geschickte Auswahl der Gewinne, welche für das Publikum einen wichtigen Anziehungspunkt darstellten, da fast ausschließlich „brauchbare und wertvolle Artikel“ zu gewinnen waren.
Eine mächtige Felsbrücke, für die der Nürnberger Bildhauer Leonhard Hasenstab zwei Amorettengruppen beigesteuert hatte, führte über den Landgraben auf die andere Seite des Platzes, mit Schaubuden, Karussells und einem Hippodrom. Dieses zählte, neben einer großen Menagerie, einem lrrgarten, Schießbuden und Dampf-Karussells sowie Berg- und Talbahnen zu den wesentlichen Attraktionen des Festes. An speziellen Veranstaltungen wurden die Darbietungen der Städtischen Turnvereine, eine italienische Nacht mit Lampionzug sowie ein großes Feuerwerk besonders hervorgehoben.
Allerdings sorgte die unbeständige Witterung dieses Jahres bei der Abwicklung des reichhaltigen Festprogramms für einige Probleme. Um die Jahrhundertwende waren neben den Wirtsbuden vor allem jene Schaubuden ein Hauptanziehungspunkt, die den staunenden Nürnbergern Sensationen aus fremden Erdteilen vorstellten. Heute, im Zeitalter des Fernsehens, können wir uns nur schwer vorstellen, welche Faszination derartige Darbietungen auf Menschen ausüben mußten, die kaum je aus dem Umkreis ihrer Stadt hinauskamen.
In der Festzeitung wurde u.a. besonders für die Glücksbude geworben, deren „unerschöpflichen und praktischen Gebrauchs- und Haushaltsgegenstände“ sich angeblich des öfteren als hervorragende „Ehestifter“ bewährt haben sollten. Im übrigen beklagten sich die Veranstalter schon damals über eine 10%ige Lotteriesteuer, die unweigerlich in den Staatssäckel zu fließen hatte. Diese Lotteriesteuer hat unser starker Berufsverband durch seinen Einsatz beim Gesetzgeber für die Sparte Spiel abwenden können.
Ab 1893 entstanden für das Nürnberger Volksfest aufwendige Repräsentationsbauten, wie prunkvolle, triumphbogenartige Portale sowie Gebäudegruppen im Altnürnberger Stil, wie die Nachbildungen der Walpurgiskapelle und des Tiergärtner-Torturms, wo Gendarmerie, Sanitäts- und Feuerwache untergebracht wurden. Diese Prachtbauten waren nicht nur eine Attraktion, mit der selbst das Münchner Oktoberfest nicht aufwerten konnte, sondern bot auch ein wichtiges Zeugnis für die handwerkliche Leistungsfähigkeit der Stadt. Sie wurden alljährlich mit einer neuen Thematik gestaltet und waren sowohl für das Volksfest selbst, als auch für die Nürnberger Handwerksbetriebe äußerst werbewirksam. 1895 stand das Volksfest im Zeichen der 25-Jahr-Feier des Sieges von Sedan. An neuen Attraktionen fiel besonders die 120 m lange Menagerie von Johann Ehlbeck sowie das Varieté und Zaubertheater Schichtl auf, ferner die neue elektrische Stufenbahn von Hugo Haase, die auf der Weltausstellung in Chicago großes Aufsehen erregte. 1896, dem Jahr einer Bayerischen Landesausstellung, sorgte der RiesenluftbalIon „Meteor“ mit dem Wiener Luftschiffer Brunner für Aufsehen. Die durch ihre festlichen Illuminationen besonders beliebte „Italienische Nacht“ mußte wegen des großen Publikumsandrangs dreimal wiederholt werden. Bei dieser Gelegenheit wurden die malerischen Festbauten im Altnürnberger Stil durch ihre feenhafte Beleuchtung besonders ins Blickfeld gerückt.