Volksfestgeschichte 1991 – 2000

„Schausteller helfen“

1991 wurde das bis dahin mit wechselndem Erfolg durchgeführte „Osternestersuchen“ am Eröffnungstag durch eine neue Aktion ersetzt. Die Stadt Nürnberg hatte die Partnerschaft für die „Goldene 1“ übernommen. Der Oberbürgermeister regte die Schausteller an, dazu einen werbewirksamen Beitrag zu leisten. Zu Gunsten der „Goldenen 1“ wurden eintausend Gutscheinhefte für DM 10,00 pro Heft verkauft, dessen Gegenwert DM 35,00 betrug. Der Erfolg dieser Maßnahme war überwältigend. Die Tageszeitungen berichteten ausführlich über das Geschehen auf dem Frühlingsvolksfest.

Weil der im Frühling 1991 eingeführte Verkauf von Gutscheinheften beim Publikum besonders gut angekommen war, entschloß sich der Süddeutsche Verband als Ausrichter der Volksfeste auch 1992 wieder zu einer derartigen Aktion unter dem Motto: „Schausteller helfen“. Der Erlös von DM 10.000,00 wird dem Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg, beim Faßanstich zum Frühlingsfest, als Spende für einen vorher bestimmten sozialen Zweck überreicht. Die Gutscheinverkaufsaktion „Schausteller helfen“ ist seither ein fester Bestandteil und unterstreicht das soziale Engagement der großen Schaustellerfamilie.

In diesem Jahr sorgte die Umrüstung von Einweg- zu Mehrzweckgeschirr bei den betroffenen Betreibern von Imbißständen und Ausschankgeschäften für große Aufregung. Niemand wußte genau, wie der damit verbundene Mehraufwand bewältigt werden sollte. Dank der Anpassungsfähigkeit der Volksfestbeschicker konnte diese Hürde genommen werden. Auch die Volksfestbesucher haben diese umweltfreundliche Maßnahme akzeptiert, ja sogar als besonders gut empfunden.

Das Herbstvolksfest 1991 bot eine neue Attraktion der besonderen Art: den erstmals in Nürnberg aufgebauten Fünfer-Looping. Viele Volksfestbesucher wollten den Nervenkitzel dieser Sensation auskosten.

Zum Frühlingsfest 1993 wurden erstmals auf dem Volksfestplatz zwei Großzelte aufgestellt. Zu dem schon etablierten Tucherzelt „Zum Hahn“ kam, als spezielle Attraktionen für die sogenannte Rock-Generation, das Patrizierzelt „Rockhouse“ der Firma Murr, das sich von Anfang an bei jüngeren Besuchern und Rockfans aller Altersklasssen großer Beliebtheit erfreute und sich zu einem echten Publikumshit mauserte. Als Werbegag besonderer Art machte in diesem Jahr auch die für das Nürnberger Volksfest eigens entworfene und in limitierter Auflage hergestellte Volksfesttelefonkarte von sich reden.

Die Vorbereitung der Saison 1994 erwies sich als schwierig. Wie alle Kommunen mußte auch die Stadt Nürnberg den Rotstift ansetzen. Ihm fiel nicht nur der Zuschuß zum traditionellen Volksfestzug zum Opfer, es wurde auch der Personalhaushalt des Verkehrsvereins gekürzt. Diese unerfreulichen Tatsachen forderten ein rasches Handeln des Schaustellerverbandes. Um kein Defizit einzufahren oder die Platzgelder anheben zu müssen, wurde beschlossen, den Volksfestzug nicht mehr durchzufahren und die freiwerdenden Geldmittel in andere Werbemaßnahmen oder Rahmenveranstaltungen zu investieren.

Um die Werbemaßnahmen realisieren zu können, wurde aus Vorstandsmitgliedern des Verbandes eine Arbeitsgruppe gegründet. Deren Mitglieder waren jeweils für einen Werbeblock (z.B. Zeitungsanzeigen, Rundfunkwerbung) zuständig. Als erfreuliches Ergebnis konnte festgestellt werden, daß die Arbeitsgruppe durch direkte Verhandlungen mit den Medien mehr Werbung für das gleiche Geld erzielen konnte. Es war allen klar, daß diese Mehrarbeit von den Vorstandsmitgliedern auf Dauer nicht geleistet werden kann. Als spezielle Werbefachfrau wurde deshalb bereits im Sommer 1994 Frau Lauterbach eingestellt und mit diesen Aufgaben betraut. Zum Herbstvolksfest dieses „Rotstiftjahres“ wurde statt des Festzugs am 2. Sonntag ein Frühschoppen mit Topstar-Programm als Ersatz für den Umzug durchgeführt, das vom Volksfest-Publikum auch sehr gut aufgenommen wurde.

Auch für den jeweils am 1. Donnerstag beider Feste angesetzten Luftballonflugwettbewerb fielen Sponsorengelder aus. Um diese beim Publikum überaus beliebte Veranstaltung durchführen zu können, wurden die durch den Wegfall des Volksfestzuges freigewordenen Mittel verwendet.

Im übrigen kam den Schaustellern unterdessen eine Panne eher zugute: Ausgerechnet beim Bürgermeisterstammtisch gingen im vorderen Festplatzbereich durch einen generellen Stromausfall die Lichter aus, so daß auf Notaggregate zurückgegriffen werden mußte. Der Oberbürgermeister von Nürnberg wurde durch diese unfreiwillige Demonstration dazu bewegt, die längst notwendige Ausweitung der Stromversorgung auf dem Volksfestplatz zu unterstützen. Sie wurde deshalb bereits für das Frühlingsfest 1995 bewilligt.

Auch für das Jahr 1995 ließen sich die Schausteller eine Reihe von reizvollen und publikumswirksamen Neuerungen einfallen. Als Glanzstück für das Frühlingsfest konnte die größte transportable Geisterbahn der Welt unter Vertrag genommen werden. Als besonders attraktives Rahmenprogramm wurde, zusätzlich zu den schon bekannten Aktionen wie „Schausteller helfen“, dem Luftballonflugwettbewerb, dem Malwettbewerb mit prominenten Teilnehmern u.v.m. eine Märchenkostümparade veranstaltet. Zusammen mit einer Jazzband ziehen die Märchenfiguren um den gesamten Festplatz, verteilen Geschenke und Fahrchips an die Besucher.

Zum Herbstvolksfest 1995 wurde den Besuchern die attraktive und größte transportable Wildwasserbahn der Welt als Neuheit präsentiert. Auch 1996 wurden die beiden Nürnberger Volksfeste wieder zu einem vollen Erfolg, bei dem Jung und Alt auf ihre Rechnung kamen. Beim Frühlingsfest tummelten sich, nicht zuletzt dank der günstigen Witterung, Scharen von Besuchern auf dem Volksfestgelände und begeisterten sich an den zahlreichen Attraktionen. In diesem Jahr wurden erstmals über 2 Millionen Besucher verbucht. Für die Wagemutigen bot „Jumping“, eine neuartige Rund-Hoch-Fahrattraktion zum ersten Mal ein sensationelles Fahrgefühl, das durch Effekte des freien Falls bewirkt wurde.

Das Frühlingsfest 1997 begann zunächst mit einer Katastrophe: Einen Tag vor der Eröffnung beschädigten gewaltige Sturmböen, die über den Volksfestplatz fegten, das Metallgerippe des Tucher-Zeltes so schwer, daß es abgebaut und durch ein kleineres Zelt ersetzt werden mußte. Über hundert Schausteller halfen spontan beim Abbau des demolierten Zeltes und bewiesen so ihre Solidarität mit in Not geratenen Kollegen. Festwirt Claus Hahn mußte in aller Eile umdisponieren, um den Betrieb in dem kleineren Zelt mit einiger Verzögerung eröffnen zu können. Glücklicherweise blieb es bei diesem einzigen Großschaden auf dem Volksfestplatz. Der traditionelle Faßanstich durch Oberbürgermeister Ludwig Scholz fand deshalb im neu errichteten Musikzelt „New Orleans“ statt.

Trotz der im allgemeinen angespannten finanziellen Lage gab es auch diesmal wieder zahlreiche Neuheiten zu bestaunen, wie z. B. Salto Mortale, eine Art Personenventilator, bei dem die Beine der Passagiere frei in der Luft baumeln. Neben einer Vielzahl von attraktiven Fahr-, Lauf- und Simulationsgeschäften waren auch Kinderfahrgeschäfte, Schieß- und Losbuden der ersten Kategorie vertreten. Auch für Nostalgiebewußte war eine reizvolle Neuheit geboten. Zu nostalgischen Walzerklängen schwingt das an einem Stahlmast hängende Karussell „Krinoline“ in gemütlichem Rhythmus auf und ab. Ein Besuch bei der Wahrsagerin Madame Viera de Silva, einer der letzten Großen ihres Berufsstandes, war für viele Volksfestbesucher ein absolutes Muß.

Im gleichfalls neuen New Orleans-Zelt wurden die Dixieland- und Jazzrhythmen amerikanischer Südstaatenatmosphäre mit original kreolischer Küche aufgeboten, um die Besucher nach New Orleans zu versetzen. Da das Frühlingsfest sprichwörtlich ins Wasser fiel und nur vier Tage nicht verregnet waren, entschied man sich für eine Verlängerung des Festes um fünf Tage (Mittwoch bis Sonntag). Trotz der Verlängerung konnten aufgrund des schlechten Wetters die gewohnten Umsätze nicht mehr erzielt werden.

Das Herbstvolksfest 1997 war, nicht zuletzt durch seine Rahmen- und Sonderveranstaltungen wie Ballonflugwettbewerb, Malwettbewerb, Familiennachmittag, Märchenparade, Bürgermeister-, Prominenten- und Pressestammtisch wieder eine erfolgsgekrönte Veranstaltung. Der millionste Besucher konnte diesmal schon in der ersten Woche begrüßt und zu Freifahrten auf den Volksfestattraktionen eingeladen werden. Die stetig steigenden Besucherzahlen beweisen, daß die vorbildlichen Werbemaßnahmen des Arbeitskreises Werbung bei der Bevölkerung bestens ankommen. Obwohl die Werbung für das Nürnberger Frühlings- und Volksfest beinahe perfekt ist, hat man es sich zur Aufgabe gemacht, diese durch immer neue Ideen auszuweiten und zu verbessern.

Mit dem Kanuverein wurde 1998 und 1999 ein Kanupolo-Derby auf dem Dutzend-teich mit den Medien veranstaltet. Der Slogan „Dein Volksfest kommt“ wird eingeführt. Damit können sich Besucher und Freunde noch mehr mit unseren Volksfesten identifizieren.

Im Jahr 1999 wird zum jeweiligen Fest ein Programmheft mit der Auflage von jeweils 75.000 Stück eingeführt. Enthalten sind Informationen zum Rahmenprogramm, zu wichtigen Terminen und den Veranstaltungen in den Festzelten. Ein Aufstellplan ist ebenso integriert, wie ein Plan mit der Verkehrsanbindung des Volksfestplatzes.

Beim Herbstvolksfest 1999 wurde auf Vorschlag von Fachberater Lorenz Kalb die Ladies´- Night in das Rahmenprogramm aufgenommen. Die Besucherinnen werden an den Eingängen mit einer Rose empfangen und alle Geschäfte bieten den Damen besondere Vergünstigungen bzw. kleine Präsente an. Höhepunkt war wohl ein Men-Strip im Rockhouse-Festzelt, der im vollbesetzten Festzelt von den zahlreichen Besucherinnen frenetisch bejubelt wurde.

Im Jahr 2000 fährt eine Pendelbahn auf der Großen Straße als Kundenservice für Gäste, die aus Richtung Messe / Große Straße zum Volksfest kommen. Beim Frühlingsfest in diesem Jahr werden 2,1 Millionen Besucher gezählt, was einem neuen Besucherrekord entspricht. Parkscheine für die Große Straße beinhalten Gutscheine, die auf dem Platz eingelöst werden können. So wird den Besuchern ein Teil der Parkgebühren rückvergütet.

Zum Herbstvolksfest 2000 findet eine Leistungsschau der Rettungs- und Hilfsdienste BRK, THW, Polizei und Feuerwehr unter dem Motto „Sicherheit auf dem Volksfest“ statt. Das Volksfest-Logo wird vom Stadtgrafiker modernisiert. Im Jahre 2000 wird auch noch eine Volksfest-Währung eingeführt. Es handelt sich um den sogenannten „Volksfest-Taler“. Die Taler können zu jeweils 50 Stück bei einem Preisnachlass von 10 % erworben werden. Von den Besuchern können die Taler wie Bargeld als Zahlungsmittel verwendet werden.

Im Zuge des Ausbaus der immer größer werdenden Nürnberg Messe wurde wegen der notwendigen Entlastung des Straßenverkehrs die Anbindung der Bayernstraße an die Große Straße von der Stadt Nürnberg beschlossen. Trotz mehrerer Vorschläge seitens des Schaustellerverbandes zu einer — nach unserer Meinung — geeigneteren Trassenführung, wurde von der Stadt die kostengünstigste Lösung bevorzugt. Die Straße führt an der Kongreßhalle vorbei, wird im hinteren Bereich zum Dutzendteich-Ufer führen und von dort an die Große Straße angebunden. Das Areal des Festplatzes bleibt jedoch in vollem Umfang erhalten, zusätzliche Parkplätze entlang der Strecke vor dem Verbandsbüro bieten Vorteile für unsere motorisierten Besucher. Mit dem Bau wird nach dem Herbstvolksfest 2000 begonnen.

Der Süddeutsche Schaustellerverband war und ist sich bis heute seiner Verantwortung für das Nürnberger Volksfest voll bewußt und beweist bei der Lösung von Problemen und der Durchführung notwendiger Verbesserungen beachtliche Kompetenz und Fingerspitzengefühl. Die vergangenen 112 Jahre haben den Berufsstand gefestigt und den Willen zum gemeinsamen Handeln ungeachtet immer wieder auftretender Interessenkonflikte gestärkt. Der kontinuierlichen Leistung des Verbandes ist die bis heute ungebrochene positive Ausstrahlung des Nürnberger Volksfestes als Hauptfest der fränkischen Region in erster Linie zu danken.