Volksfestgeschichte 1826 – 1830

Die bewegte Geschichte des Nürnberger Volksfestes begann im Jahr 1826, als die Bürgerschaft der Stadt Nürnberg beschloß, den Geburts- und Namenstag König Ludwig I. festlich zu begehen. Der König, der vor einem halben Jahr den Thron bestiegen hatte und im Juli 1826 zur Kur nach Bad Brückenau reiste, besuchte bei dieser Gelegenheit auch die Stadt Nürnberg und wurde von Honoratioren und Bürgerschaft begeistert empfangen. Es gelang dem leutseligen Monarchen rasch, die Herzen seiner Nürnberger zu erobern. Diese wünschten ihn so bald als möglich wiederzusehen. Der Geburtstag des Königs bot dazu einen willkommenen Anlaß. Major Spraul vom 6. königlichen Chevauleger-Regiment schlug vor, der allgemein bekannten Volkstümlichkeit des Königs durch ein groß angelegtes Volksfest Rechnung zu tragen. Dieser Vorschlag fand allgemeinen Beifall und schon am 3. August 1826 erging eine gedruckte Einladung an die Bürger der Stadt, sich an dem geplanten Volksfest zahlreich zu beteiligen. Verantwortlich für Planung und Gestaltung war ein aus den drei Klassen der Einwohner gebildetes Komitee, dem neben dem damaligen Bürgermeister Binder, ein Gastwirt, ein Stadtkommissar, ein Landgerichtsassessor, ein Hauptmann und natürlich Major Spraul angehörten. Das Fest sollte auf der Peterheide, einem schon im Mittelalter als Festplatz genutzten Sandfeld zwischen Regensburger Straße und der Tullnau, stattfinden. Dort waren schon Kaiser Friedrich III. und Maximilian I. von den Vertretern der Freien Reichsstadt empfangen worden. Im 17. Jahrhundert war dieser Platz auch für Truppenparaden der vier Bürgerfahnen sowie zu Armbrust-Schießwettbewerben genutzt worden. Nun sollte dort das für drei Tage geplante neue Volksfest mit Pferderennen, Schießwettbewerben, Musikveranstaltungen, Glücksspielen und leiblichen Genüssen aller Art stattfinden.

Vorbild für die geplante Veranstaltung war das im Jahre 1810 anläßlich der Vermählung des damaligen Kronprinzen Ludwig mit der Prinzessin Therese-Charlotte Louise von Sachsen-Hildburghausen ins Leben gerufene Münchner Oktoberfest, das seither in regelmäßigen Abständen durchgeführt wurde und sich größter Beliebtheit erfreute.

Die meisten der nachweislichen 65 Buden, die anläßlich dieses ersten Nürnberger Volksfestes aufgebaut wurden, waren wahrscheinlich Wirtsbuden, deren Betrieb vom Magistrat an den jeweils Meistbietenden vergeben wurde.

Schausteller im heutigen Sinn, wie Karussell- und Schaukelbetreiber, gab es bei diesem ersten Volksfest in Nürnberg noch nicht. Doch postierten wahrscheinlich fliegende Händler ihre Stände am Rand des Festplatzes. Weitsichtige Geschäftsleute versuchten ihr Einkommen mit dem Verkauf von Spiel- und Scherzartikeln aufzubessern.

Unter den Festveranstaltungen erfreute sich das Pferderennen des größten Interesses. Dabei waren die Pferde ungesattelt und nur mit Trensen gezäumt, die Reiter mit Sporen und Reitpeitsche ausgestattet. Die Teilnehmer mußten die Herkunft ihrer Pferde durch ein beglaubigtes Zeugnis nachweisen. Es waren insgesamt Preise zwischen 2 und 40 Bayerische Taler ausgesetzt, dazu noch eine Fahne mit dem Namenszug des Königs und dem Nürnberger Wappen. Sieger wurde der populäre Münchner Lohnkutschenbesitzer Xaver Krenkl, der bereits beim Münchner Oktoberfest mehrfach als Sieger geglänzt hatte. Er soll die vorgeschriebene Bahn, eine Wegstrecke von etwa einer halben Stunde, innerhalb von 7 Minuten dreimal umrundet haben.

Da in Nürnberg diese Art von Pferderennen noch unbekannt war, gingen die meisten Preise an auswärtige Bewerber, erst an 7. Stelle konnte sich ein Nürnberger behaupten. Einer historischen Chronik zufolge, erfreute sich ein Kletterwettbewerb in der Art des bekannten Maibaumkletterns großer Beliebtheit. Auch dabei waren verschiedene Preise zu gewinnen, darunter eine äußerst begehrte silberne Taschenuhr. Die Kletterpartie mußte ohne Steigeisen oder sonstige Hilfsmittel durchgeführt werden. Dieselbe Chronik berichtet auch über den großen Festzug, der sich vom Bayerischen Hof aus in Richtung Peterheide bewegte, dabei soll, allem Andrang zum Trotz, doch überall Ordnung und Anstand geherrscht haben. Auch scheint dieses erste Nürnberger Volksfest zahlreiche gut betuchte und hochstehende Gäste angelockt zu haben, wie der damals üblichen Fremdenliste zu entnehmen ist. Wegen der glücklichen Geburt eines achten Königskindes, der Prinzessin Alexandra, wurde das Fest, das ursprünglich bis zum 27. August dauern sollte, bis zum 30. verlängert und schließlich mit einem großen Feuerwerk und Fackelzug in die Innenstadt beendet. Die ganze Stadt war prächtig geschmückt, und von allen Dächern wehten Fahnen in den Landesfarben. Die Erfolgsbilanz als solche war freilich zwiespältig, wie sich nach Abschluß der Feierlichkeiten herausstellte. Einem beachtlichen Werbeeffekt für die Stadt stand ein ebenso beträchtliches Defizit gegenüber. Entgegen den ursprünglichen Schätzungen von etwa 1.500 Gulden betrugen die Kosten rund 4.000, die erzielten Einnahmen aber nur 1.900 Gulden. Diese Differenz von 2.100 Gulden wurde von der Kommune getragen, obwohl das Volksfest als privates Unternehmen galt. Die Stadtväter waren trotz dieser Belastung entschlossen, auch in den künftigen Jahren weiterhin ein Nürnberger Volksfest zu veranstalten. Aus diesem Handeln wird deutlich, daß der Rat der Stadt Nürnberg schon im 19. Jahrhundert Volksfeste zur Kultur rechnete und dem Freizeitwert ihrer Bevölkerung einen großen Stellenwert gab.

Zwar fiel im folgenden Jahr das Fest weitgehend dem schlechten Wetter zum Opfer, doch bereits 1828 hatte die Veranstaltung, die vom 24. August bis 1. September dauerte, wesentlich an Bedeutung gewonnen. Im Festzug fielen vor allem die reich geschmückten Wagen der damaligen Umlandgemeinden, wie Burgfarrnbach, Schweinau, Steinbühl und St. Johannis auf. 1829 wurde das Volksfest zum Anlaß einer Ehrung von 18 Handwerksgesellen und mehreren Dienstboten, die sich durch langjährige Dienste ausgezeichnet hatten: Der Nürnberger Industrie- und Kulturverein verlieh ihnen silberne Medaillen und öffentliche Belobigungen. 1830 erfreute sich der vom Schauspieler Anton Kleining arrangierte „Büttnertanz“ der allgemeinen Begeisterung. Außer den bisherigen Preismedaillen wurden auch landwirtschaftliche Preise vergeben. Hervorragende Leistungen in der Vieh- und Bienenzucht, beim Obst-, Garten- und Tabakanbau sowie bei der Verbreitung ausländischer Getreidesorten wurden prämiert. Im Volksfestzug präsentierte sich erstmals neben bäuerlichen Trachten- und Schützenvereinen auch das Handwerk mit Tanz, Schauwagen und Musik. Der schon erwähnte Büttnertanz sollte an die mittelalterlichen Handwerker- und Meistersingerumzüge, wie auch an das sogenannte Schembartlaufen anknüpfen. Dadurch sollten alte Handwerkstraditionen neu belebt und dem Publikum Bedeutung und Qualität des traditionellen Handwerks eindrucksvoll vor Augen geführt werden.